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Die Enthüllung der Mythen des elysia xpressor|neo

Geschätzte Lesedauer:  9 Minuten

Kernkompetenz Kompression – die Genese des elysia xpressor|neo

Frage: Wann ist gut, gut genug? Diese Frage haben wir uns bei der Neuauflage des elysia xpressor|neo mehr als einmal gestellt. Macht es überhaupt Sinn, ein bestens funktionierendes Produkt wie den xpressor in die inhouse Tuning Abteilung zuschicken und dort nach möglichen Performance Boosts zu forschen? Dieser Blog Artikel widmet sich diesem Thema und bietet nebenbei noch einen komprimierten Abriss der elysia Firmenhistorie und klärt die Frage, was macht eigentlich einen erstklassigen Audio-Kompressor aus?

Am Anfang war der alpha

Mit einem top down Ansatz gingen wir in 2006 mit dem alpha compressor an den Start und setzen damit eigene Maßstäbe in Punkto Qualität und Klang. Ein Jahr später erschien der mpressor und kurz darauf der museq. Dieses Trio des guten Tons bildet das Fundament unseres elysia Produktportfolios. Um auch weniger betuchten Anwendern den elysia Sound zugänglich zu machen, brachten wir ab 2009 nach und nach die Module der 500 Serie auf den Markt.

Der eigenen Historie folgend, war das erste 500er Modul ebenfalls ein Kompressor.  Der elysia xpressor 500, der trotz des kompakten Formfaktors wesentliche Bestandteile der DNA des alpha compressors in sich trägt. Ein diskret aufgebauter VCA-Kompressor ausgestattet mit einer Softknee Sidechain.

Feed-Forward

Die Topologie ist „feed forward“, weshalb sich mit dem xpressor 500 auch negative Ratios umsetzen lassen. Weitere Features wie ein Mix-Regler, Auto Fast & Warm ergänzen den Funktionsumfang. Der xpressor 500 ist ohne Zweifel ein umfangreich ausgestatteter Signalverdichter. Erstaunlich, wenn man den 500er Formfaktor bedenkt. Diesen Kompakt-Kompressor brachten wir Mitte 2010 auf den Markt und er entpuppte sich als echter Sommerhit. Die erste Auflage von hundert Einheiten war in kurzer Zeit verkauft. Der Beweis, dass unsere Kunden das Konzept verstanden haben. Das eine 19“ Rack-Version ein Jahr später das Portfolio erweiterte, war demnach ein logischer Schritt. Der xpressor ist das, was man mit Recht eine Erfolgsgeschichte nennen darf. Das lässt sich auf mehrere Gründe zurückführen.

Fakt ist jedenfalls, dass vor 15 Jahren nicht wirklich viele gute VCA-Kompressoren auf dem Markt erhältlich waren. Der xpressor war und ist eines der Ankerprodukte, welche unsere elyisa Philosophie und den Charakter von unseren Produkten nachhaltig geprägt haben. Daher stand der Wunsch nach einer zeitgemäßen, überarbeiteten xpressor Version schon seit geraumer Zeit im Raum. Aber warum sind Kompressoren für unser Produkt-Portfolio so wichtig und warum sollte jeder Musiker, Producer oder Studiobetreiber einen hochwertigen Kompressor in seinem Arsenal haben?

Kompressor Anatomie

Die eigentliche Aufgabe eines Audio-Kompressors ist im Grunde denkbar einfach: Lautstärke Unterschiede im Nutzsignal sollen nach Gusto ausgeglichen werden. Klingt simpel ist aber technisch nicht trivial, da die Eigenheiten verschiedener Signalquellen enorm unterschiedlich sein können. Selbst bei einer Signalfamilie (z.B. Gesang) ist die Bandbreite enorm.

Tiefe Töne sind in der Regel leiser und werden psychoakustisch mit weniger Nachdruck wahrgenommen als mittlere und hohe Gesangsstimmen. Fast alle natürlichen Schallquellen enthalten zudem Lautstärke Modulationen, die bedingen, dass bei höheren Pegeln auch mehr Obertöne (Partialschwingungen) erzeugt werden.

Versucht man solche natürlichen, hochdynamischen Signale in einen vergleichsweisen statischen Mix einzubetten, kommt man um eine zusätzliche Dynamikbearbeitung kaum herum. Das Mittel der Wahl ist ein Kompressor.

Wie würde beispielsweise ein xpressor diese Bearbeitung vornehmen? Das entscheidende Regelelement wäre in diesem Fall ein VCA (voltage controlled amplifier), der spannungsgesteuert die Lautstärke des Nutzsignals verändern kann. Somit hat die Qualität des VCAs eine entscheide Bedeutung über die Regelverlauf und letztlich auch über die Klangqualität.

Für den besseren Durchblick

Zur einfacheren Erklärung lässt sich ein Vergleich zur Optik heranziehen. Möchte man in die Ferne schauen, benötigt man ein Fernglas. Je besser die Mechanik und die Qualität des Glases ist, desto schärfer sieht man das etwaige Objekt im Okular. In diesem Zusammenhang lässt sich auch eine interessante Analogie zwischen analog und digital herstellen. Eine hochwertige Digitalkamera verfügt über einen optischen Zoom, um entfernte Objekte zu vergrößern und möglichst scharf abbilden zu können. Ein Smartphone ist dagegen oftmals nur mit einem digitalen Zoom ausgestattet. Je stärker man mit dem digitalen Zoom arbeitet, desto grobkörniger wird das Bild.

Es kommt unweigerlich zu einem Qualitätsverlust. Ähnlich verhält es sich bei einem Kompressor. Möchte man große Pegelunterschiede ausgleichen, muss man das verdichtete Kompressor-Signal nach der Bearbeitung mit Hilfe des Make Up Gains wieder aufholen, also nachverstärken. Die Qualität dieses Aufholprozesses ist wesentlich für die Klangqualität. Kommen alle Feinheiten nach vorne, werden die leisen Stellen im Signal adäquate verstärkt, ohne dabei ungewollte Artefakte in den Vordergrund zu rücken?

Kann dein Kompressor bei großen Pegelsprüngen nach der Bearbeitung alle Feinheiten leiser Signalstellen plakativ darstellen? Gerade digitale Kompressoren haben bei diesem Prozess oftmals das Nachsehen, weil die Verstärkung (Make Up Gain) oftmals auf der digitalen Domäne erfolgt und daher mit ähnlichen Auflösungsproblemen zu kämpfen hat, wie ein digitaler Kamera Zoom.

Evolution

Mit dem xpressor steht der Neukonzeption der neo-Version bereits eine sehr gut aufgestellte Basis bereit. Die Abstimmung von Attack, Threshold, Release und Ratio auf der einen und die zahlreichen Zusatz-Features wie Auto-Fast, Log-Release, Warm und Parallelkompression auf der anderen Seite lassen sich im Grunde nicht weiter verbessern. Daher wird jeder Anwender eines klassischen xpressors sich sofort mit dem Workflow und der Arbeitsweise des xpressor|neo zurechtfinden

Als Entwickler haben wir uns dennoch gefragt, wo gibt es noch Klangkapital zu erwirtschaften? Was kann man tun, um noch mehr Feinheiten im Klang darzustellen? Welche Stellschrauben lassen sich noch drehen? Kein trivialer Task, zumal sich manche Klang Phänomene schlichtweg einer Evaluierung durch Audiomessungen entziehen.

Beispielsweise lässt sich eine verbesserte Dreidimensionalität in Punkto Stereobasisbreite nur in aufwendigen Hörtests feststellen. Fakt ist: Es gibt durchaus Ansatzpunkte und Optionen den Klang zu verbessern. Dafür muss man allerdings in der Lage sein, „outside the box“ zu denken und zudem an den richtigen Stellen suchen. Der klassische xpressor ist seit 2010 erhältlich. Seitdem hat sich die Welt weitergedreht. So hat sich unser Fachwissen ebenso weiterentwickelt, wie die Tatsache, dass moderne Bauteile und Baugruppen neue (Klang-)Möglichkeiten eröffnen.

Schuster such nach neuen Leisten

xpressor|neo testing at development station

Ideen und Verbesserungen kommen manchmal auch aus ungewöhnlichen Disziplinen. Wir bei elysia verfolgen stets einen interdisziplinären Ansatz, weshalb beim Re-Design des xpressors ein Verfahren zum Einsatz kommt, dessen Ursprung im Platinendesign liegt und auf den ersten Blick nicht viel mit Audio-Verarbeitung zu tun hat.

Ursprünglich wird damit versucht, die Massekonzepte und Spannungs-Versorgung kritischer Bauteile wie FPGAs, Mikro-Controller und DSPs zu optimieren. Dieses Verfahren haben wir testweise auf das Design von Audioschaltungen angewendet und waren erstaunt, dass sich Audio-Schaltungen dadurch deutlich schneller mit Stromspitzen und entsprechenden Spannungen versorgen lassen. Das Ergebnis ist ein deutlicher Sprung in der Signalqualität. Parallel sind wir stets auf der Suche nach verbesserten Bauteilen. Vor allem nach Bauteilen, die 2010 noch nicht erhältlich waren, da diese das vermeintliche Potential für eine Performance Steigerung in sich tragen.

Gerade durch die Anforderungen moderner DSPs und Schaltnetzteilen wurden in den letzten Jahren einige neue Elkos entwickelt. Diese speziellen Elkos weisen kleinere Werte aus, was ihren parallelen und seriellen Widerstand betrifft. Diese Bauteile haben wir unter anderem als Koppel-Elkos oder als Pufferung für die Spannungsversorgung getestet, mit teilweise erstaunlichen Ergebnissen.

Vor allem wenn man bedenkt, dass diese Elkos ursprünglich nicht für den Einsatz in Audioschaltungen konzipiert wurden. So gelangt man auch über vermeintliche Umwege zum Ziel. Der xpressor|neo verfügt auf Grund dieser „Extrameilen“ über ein verbessertes Impulsverhalten und eine präziserer Transienten-Wiedergabe, was sich auch messtechnisch belegen lässt.

Zugabe

xpressor|neo SMD closeup

Aber das ist noch nicht alles. Wir haben dem Eingangsschaltkreis ein zusätzliches Filter in der Form einer kleinen Spule verpasst, die eine spezielle HF-Unterdrückung ermöglicht, welche sich positiv auf den Gesamtklang auswirkt. In dem gesamten Schaltungs-Design gibt es eine Referenzspannung, welche die diskreten Schaltungen betreibt. Diese wurde komplett überarbeitet und ist nun resilienter gegen Störungen auf der Spannungsversorgung Ebene. Nebenbei gesagt ist dieser Punkt ein heikles Dauerthema bei den 500 Modulen.

Wir können nicht sagen, welchen 500-Rahmen unsere Kunden für ihre Module verwenden. Je nach Hersteller und Modell ist die Spannungsversorgung dieser 500 Rahmen mal mehr oder weniger gut. Oftmals sucht man vergebens nach konkreten Angaben zu den Störspannngsabständen und anderen relevanten Werten.

Der xpressor|neo ist dagegen in Punkto Spannungsversorgung besonders gut aufgestellt. Ein weiterer wesentlicher Punkt zur Performance Steigerung stellen die VCAs dar. Im xpressor|neo haben wir die Ansteuerung der VCAs überarbeitet, was zu einer verbesserten Stereo Trennung führt. Zudem werden die VCAs im neo komplett symmetrisch angefahren was dem Stereobild hörbar zugutekommt. Das Impulsverhalten konnten wir nochmal verbessern durch die Überarbeitung der Ausgangsverstärker, denen wir neue Ausgangsfilter verpasst haben.

More is more

xpressor|neo SMD production

Neben dem reinen Kompressor Kreislauf verfügt der xpressor|neo über Verbesserungen in den Zusatzfunktionen. So ist die Sidechain feiner aufgebaut, um die Unterdrückung von Artefakten auf der Ebene der Spannungsversorgung zu ermöglichen. Aus einem 2-Lagen Board wurde jetzt einen 4-Lagen Board mit einer großen Massenfäche. Das ist wichtig, um Störeinflüsse von außen zu minimieren.

Zudem wird damit die Spannungsversorgung niederohmig an die Audioschaltungen angebunden, die sich dadurch schneller mit Strom versorgen lassen. Die Summe dieser Verbesserungen machen einen deutlich hörbaren Unterschied aus. Der Ur-xpressor ist ein audiophiles Werkzeug auf hohem Niveau, aber der xpressor|neo ist im direkten Vergleich klanglich eine Stufe höher einzuordnen. Gerade die Transienten-Wiedergabe setzt neue Maßstäbe, das Stereobild ist dreidimensionaler und der Gesamtklang bildet schlichtweg mehr räumliche Tiefe ab. Der Bassbereich ist erweitert, die Mitten lösen feiner auf – die Klangqualität ist für diese Preisklasse herausragend und das sagen wir nicht ohne Stolz.

Kompressions-Kompetenz im neuen Kleid

Nicht nur klanglich ist der xpressor|neo ein deutliches Power Up. Auch optisch hat der neo zugelegt. Die Gehäusekanten haben wir angeschrägt, der Fokus wird nun selbstbewusst auf die Mitte gelegt, wo das Firmenlogo und der Gerätenamen ihren VIP-Platz einnehmen. Damit ist auch optisch die Renaissance des xpressor|neo eine runde Sache. In der Retrospektive war uns nicht bewusst, wie viel Arbeit die Neuauflage des neos machen würde.

Zumal nicht klar war, ob und inwiefern sich die Grundversion des xpressor überhaupt weiter optimieren lässt. Mit dem Ergebnis sind wir allerdings mehr als zufrieden und es ist immer noch erstaunlich, welches Verbesserungspotenzial sich mit neuen Design Methoden und verbesserten Bauteilen abrufen lässt. Selbst Anwender, die bereits einen Ur-xpressor in ihrem Bestand haben, sollten unbedingt den xpressor|neo ausprobieren. Gerade bei kritischen Anwendungen wie Bus-Bearbeitung oder Mastering Anwendungen wird man mit einer neuen Klangqualität belohnt, die ein Upgrade zweifellos rechtfertigt.