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Transient Designer Teil 2

Transient Designer Story Teil 2/2

Im ersten Teil meiner Transient Designer Story habe ich über die Höhen und Tiefen geschrieben und wie ich auf die Idee kam, die Transient Designer Technologie zu entwickeln. Ich habe dir einige Einblicke in meine Arbeit gegeben. Zudem habe ich über die Entwicklung meines ersten Kompressors – den DynaMaxx – berichtet. Wenn Du den ersten Teil noch nicht gelesen hast, dann solltest du das unbedingt schnell nachholen. Klicke dafür einfach hier.

   

Geistesblitz: Differenz und die entscheidende Idee

Ich bin mir gar nicht mehr genau sicher wann, wo und wie ich das Thema “Differenz” aufgeschnappt hatte, aber ich glaube mich zu erinnern, dass ich in einer damaligen Ausgabe der Keyboards über einen Trick gelesen hatte, um meinem EPS 16+ Sampler als eine Art Exciter für die Samples zu nutzen. An einem sonnigen Tag bekam ich dann den ultimativen Geistesblitz und am Tag darauf hatte ich noch einen glücklichen Umstand: Mein damaliger Chef, Hermann Gier, mit dem ich im gleichen Büro saß, war für zwei Tage auf Dienstreise. Bekanntermaßen ist es ja so….. wenn die Katze aus dem Haus ist dann tanzen die Mäuse auf der Leiterplatte. Jetzt konnte ich endlich unbeobachtet und in einer Nacht- und Nebelaktion meine neue Idee auf einem Laborboard aufbauen.

lab board ruben
lab board ruben2
lab board ruben3

Diese Differenz hatte ich dann auf die Hüllkurven meines Kompressors angewandt und anstatt nur einer Schaltung hatte ich zwei parallel angeordnet. Diese besaßen unterschiedliche Zeitkonstanten. Dazu wählte ich unterschiedliche Attack-Zeiten aber die gleiche Release Zeit. Hinzu kam noch ein Differenzverstärker – und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen und Ohren: Auf einmal konnte ich die Transienten eines Signals erkennen! Bei sehr weichen Einschwingvorgängen waren beide Hüllkurven gleich und bildeten kaum eine Differenz, bei schnellen Signalen konnten diese dann erkannt und auf einen VCA gegeben werden.

Das Geniale dabei war, dass dazu kein Threshold nötig war, da die Differenz unabhängig vom Eingangspegel arbeitete. Plötzlich kam mir noch eine weitere geniale Idee in den Sinn: Die Steuerspannung konnte nun positiv oder negativ sein, welches zur Folge hatte, dass der VCA nun verstärkte oder abschwächte. Die Transienten konnten nun sowohl verstärkt als auch abgesenkt werden! „Genial“, dachte ich.

Meine neue Schaltung hatte ich an einem einzigen Tag fertig und ich habe mich anschließend gefragt, was denn wäre wenn nun diese Hüllkurven beide die gleichen Attack-Zeiten haben und dazu unterschiedliche Release-Zeiten?

Also nächster Tag und neues Glück. Den erdachten Schaltungsteil baute ich am nächsten Tag auf und es funktionierte glücklicherweise auf Anhieb. Die Kontrolle des Sustains war jetzt möglich! Ich war außer Rand und Band, denn ich konnte mit gerade mal zwei Reglern einen Wahnsinnseffekt erreichen. Ich bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.

Doch dann – Return of the Boss. Am dritten Tag kam Hermann von seiner Dienstreise zurück. Ich präsentierte ihm meine neue Erfindung. Er war sofort begeistert und wollte, dass ich das Produkt schnell umsetze. Doch dann….

Codewort.Yellow Kick Man!

Endlose Tage im Dunkeln mit meinen Hüllkurven – der Feinschliff

Mein Chef mochte jetzt meine Erfindung und wollte, dass das Produkt schnellstmöglich fertiggestellt wird. Nach der ersten Euphorie kam bei mir dann aber die Ernüchterung beim einfachen Test mit einer Drumloop. Wenn ich diese Drumloop startete, war der erste Schlag der Loop, meistens die Bass Drum sehr laut und weiteren Schläge aber leiser.

Auf der Suche nach dem Grund bin ich aber sehr schnell fündig geworden. Am Beginn der Loop war die Differenz einfach viel größer als beispielsweise in der Mitte. Ich hatte ein einfaches Analog-Oszilloskop zur Hand mit dem ich nun die erzeugten Hüllkurven zu beobachten versuchte.

Um diesen Umstand zu optimieren, stellte ich den Zeitstrahl so langsam ein, dass nur noch ein langsam laufender Punkt über den Bildschirm wanderte. Bei strahlendem Sonnenschein verdunkelte ich den Raum und sah, dass dieser Punkt etwas nachleuchtete. Die Steuerspannung war erkennbar. Ich benötigte noch etwa ganze drei Monate um meine Schaltung auf die verschiedenen Signalarten zu optimieren. Bei jeder kleinen Änderung der Schaltung habe ich immer wieder sämtliche Sounds durch die Schaltung gespeist. Damit konnte ich überprüfen, ob die jeweiligen Änderungen Nachteile brachten. Das war wie eine mikrochirurgische Operation oder auch ähnlich des Finden der berühmten Nadel im Heuhaufen.

Die Komplexität

Zur Darstellung: Ein normaler Kompressor hat generell schon circa fünf Regler wobei meine Schaltung sich viermal so komplex gestaltet. Das ist ganz einfach zu begründen: Die Schaltung enthielt etliche Zeitkonstanten und auch interne Thresholds, die alle perfekt aufeinander abgestimmt werden mussten. Ich hätte dem Nutzer auch zehn Regler pro Kanal geben können doch genau die Reduktion auf zwei Regler wurde später auch zum Erfolgsgeheimnis des Produktes und spricht für eine echte Benutzerfreundlichkeit. Des weiteren konnte ich auf diese Weise sogar ganze vier Kanäle in einem Gerät unterbringen.

Die nächste Herausforderung!

Ich war mit dem Sound nicht zufrieden, denn besonders bei stärkerem Einsatz von Attack klang das Gesamtsignal doch etwas zu hart und unangenehm. Um dieses Problem zu lösen habe ich hinter den VCA ein Tiefpass Filter gesetzt und fehlende Höhen mit einem Spulenfilter ersetzt. Genau damit wurde der Sound deutlich angenehmer und weicher. Um das Konzept einem ausgewählten Publikum präsentieren zu können, haben wir einige Prototypen gefertigt. Diese wurden, wie damals üblich, aus selbst geätzten Platinen hergestellt und anschließend handgebohrt. Der gelbe Kick Man aka Transient Designer wurde geboren. Ronald Prent war einer der ersten, der damit arbeitete und er wurde sofort ein großer Fan von diesem neuen Produkt.

Kick Man 1
Kick Man | Handgefertigter Prototyp des Transient Designers

Was ist das? Ein Kompressor oder ein Noisegate?

Die verwirrte Spekulation auf der Prolight + Sound 1998

Transient Designer. So wurde mein fertiges Produkt offiziell getauft. Diesen haben wir erstmalig im Frühjahr 1998 der Öffentlichkeit auf der Prolight + Sound in Frankfurt vorgestellt. Noch heute erinnere ich mich an die vielen fragenden Gesichter des Publikums. Die meistgestellte Frage an unserem Messestand war: Ist das ein Kompressor? Oder ein Noise Gate? Oder was ist das denn nun?

Ich habe interessierte Messebesucher an die Hand genommen und Kopfhörer aufgesetzt. Ein Großteil der Besucher kam nach ein paar Sekunden Hören aus dem Staunen und Schwärmen nicht mehr heraus. Sie waren begeistert, was nun mit diesem neuartigen Transient Designer alles so möglich war. Doch eine neue Gattung eines Audio Prozessors, welche vorher nicht existierte! Mir war klar, dass ich etwas schönes und neuartiges erschaffen hatte. In diesem Zusammenhang muss ich sagen, dass ich es immer sehr interessant finde, die Reaktionen von potenziellen Kunden zu erleben. Ich genieße das und es gibt mir Bestätigung zurück, dass sich die lange Arbeit an der Entwicklung eines Produkts immer lohnenswert sein kann. Bei solchen Premieren genieße ich dann einfach das begeisterte Publikum und bekomme Gänsehaut. Sicherlich einschneidende und emotionale Erinnerungen, an die man gerne zurückdenkt.

Dank der positiven Resonanz, auch von der internationalen Fachpresse, sowie durch die vielzähligen positiven Testberichte verbreitete sich der Transient Designer schnell und hielt in Windeseile Einzug in nationale und internationale Studios.

“Der Transient Designer hat eigentlich schon jetzt eine Eintragung ins ,Goldene Buch’ renommierter Studiogeräte Klassiker verdient. Die intelligente Umsetzung einer einfachen Idee bei gleichzeitig ebenso einfacher Bedienung bietet wirklich enorme und teilweise verblüffende Gestaltungsmöglichkeiten. (…) Eine derart gezielte Eingriffsmöglichkeit in die Transienten Struktur von Audiosignalen gab es jedoch vor dem Transient Designer noch nicht. Speziell in Sample-basierten Produktionen erweist sich dieser Effekt-Dynamikprozessor als regelrechtes Lebenselixier, doch auch in der Welt der Produktion mit echten Instrumenten bieten sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten (siehe ,Hören’). Also ein uneingeschränktes Lob an den Hersteller für diese Entwicklung und eine Empfehlung an Sie, sich einmal näher mit diesem außergewöhnlichen Dynamikprozessor zu beschäftigen…”

Studio Magazin |1999

Auch der Live-Bereich erkannte die Vorzüge des Transient Designers wenig später und er wird auch heute noch gerne auf Live-Events eingesetzt. Besonders die einfache Bedienung mit nur zwei Reglern und komplette vier Kanäle auf nur einer Höheneinheit waren die Gründe, warum der TD4 – Transient Designer zu einem echten Verkaufsschlager wurde. Die vier Kanäle waren natürlich prädestiniert für die Bearbeitung eines Schlagzeugs. Auch war das Preis- / Leistungsverhältnis sehr gut.

Der Hüllkurvenbezwinger V2.0 – nvelope von elysia

Transient Shaper der nächsten Generation

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In 2006 habe ich dann die Firma elysia mitbegründet. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, viele neue und hochwertige Produkte nach meinem Gusto zu entwickeln.

Da ich ja bereits entsprechende Expertise in der Entwicklung von Kompressoren hatte, dank meinem DynaMaxx, entschloss ich mich, erneut einen Kompressor zu entwickeln. Den Anfang machte der alpha compressor, ein Mastering Kompressor mit ganz besonderen Funktionen sollte es sein und wurde es auch. Dieser ist bis heute unser Flaggschiff und längst zu einem modernen Klassiker geworden. Einige Jahre später, etwa in 2012 kam mir dann die Idee, eine neue und erweiterte Version des Transient Designer zu entwickeln. Mit der Erfahrung, die ich nun hatte, besonders auch im Design von diskreten Class-A Schaltungen, war ich in der Lage, diese Idee nochmal grundlegend zu verbessern. Besonders bei fertigen Mixen reagiert die original Schaltung nicht zuverlässig, wie man es erwarten würde.

Das Erkennen der Transienten ist somit nicht immer perfekt. Auch gibt es zu große Schwankungen bei erzeugten Amplituden. Ich entschloss mich also, die Schaltung nochmal von Grund auf neu zu entwickeln.

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nvelope – Entwicklungsboard
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Als Besonderheit plante ich nun Filter ein, mit denen man die Einsatzfrequenzen für den Attack und eine Endfrequenz für das Sustain bestimmen konnte. Meine Grundüberlegung war eine recht einfache: Transienten haben immer etwas mit schnellen und hohen Frequenzen zu tun und langes Ausschwingen von Instrumenten mehr mit tieferen Frequenzen.

Da sich die beiden Filterbänder weit überlappen können, musste ich einen speziellen Bandpass entwickeln, der dafür sorgt, dass der Frequenzgang immer linear bleibt. Mit meinem diskreten Aufbau und den eigenen VCAs ist auch der Sound nochmal deutlich punchiger und klarer, was noch mal einen echten Fortschritt darstellt. Durch dieses Multiband-Konzept klingt die Bearbeitung nun natürlicher, und viel weniger nach Noise Gate.

Besonders das Verkürzen des Sustains nur im Bassbereich geht jetzt viel besser. Trotz allem kann man den nvelope im sogenannten Fullrange – Modus betreiben, was von der Funktionsweise in etwa dem original Transient Designer entspricht.

Wenn du in einem Mix mal keine Transienten Bearbeitung benötigst, kannst du zusätzlich den EQ Modus benutzen. Also drei Möglichkeiten in einem Produkt, was sich als echter Fortschritt entpuppt hat!

Transient Designer – Die PlugIns in der digitalen Welt

Zu den Hochzeiten des DAW – Mayhems wurde dann mit dem Transmod von Sony Oxford eines der ersten PlugIns entwickelt, das auf meiner Idee und eben genau meiner Schaltung aufbaute. Brainworx hat dann auf Grundlage der Originalhardware für SPL und auch für elysia die entsprechenden PlugIns entwickelt die schon wirklich hervorragend klingen –  Doch analog bleibt eben analog.

Die meisten großen DAWs liefern mittlerweile ein Transient Designer / Transient Shaper Tool direkt mit und es gibt etliche Softwarehersteller, die auch die Idee des Transient Designers übernommen haben. Zudem ist die Technologie als Processing Tool bei vielen Drum Sample Playern zu finden. Ich kann nur jedem empfehlen, den nvelope als Hardware zu testen und ihr werdet selbst feststellen, dass dieser nach wie vor das Maß der Dinge ist.

Abschließende Worte

Zum Abschluss bleibt mir noch zu sagen:

Ja, der Transient Designer ist ein echter Klassiker geworden und revolutionierte die Audiobranche sowohl analog als auch digital. Das sind Tatsachen, auf die ich natürlich sehr stolz bin. Stolz bin ich aber auch darauf, dass ich nach wie vor die beiden einzigen Hardware-Produkte am Markt entwickelt habe. Das zeigt mir, wie komplex diese Schaltung ist und es viel Wissen und Erfahrung braucht, um so etwas analog zu bauen.

Weil sich diese Idee bei vielen PlugIns weiter verbreitet hat, wurde dieses Tool zu einem Standard beim Audio-Processing.

In Zukunft wird der Transient Shaper sicher auch weiter an Bedeutung gewinnen, denn dank der Loudness Normalisierung ist wieder mehr Headroom vorhanden, um schöne Transienten in den Mixen erklingen zu lassen.

Mein Nummer 1 – Chart Hit wurde also ein Produkt, mit dem ich die Audio Welt ein bisschen schöner, besser und kreativer machen konnte. Einen Ferrari hat er mir aber nicht gebracht, worüber ich auch nicht wirklich traurig bin.

Ich bin gespannt.

Vielen Dank für euer Interesse,

Euer Ruben Tilgner