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Transient Designer Part 2

Transient Designer Story Teil 2/2

Im ersten Teil meiner Transient Designer Story habe ich über die Höhen und Tiefen geschrieben und wie ich auf die Idee kam, die Transient Designer Technologie zu entwickeln. Ich habe dir einige Einblicke in meine Arbeit gegeben. Zudem habe ich über die Entwicklung meines ersten Kompressors – den DynaMaxx – berichtet. Wenn Du den ersten Teil noch nicht gelesen hast, dann solltest du das unbedingt schnell nachholen. Klicke dafür einfach >hier.


Geistesblitz: Differenz und die entscheidende Idee

Ich bin mir gar nicht mehr genau sicher wann, wo und wie ich das Thema “Differenz” aufgeschnappt hatte, aber ich glaube mich zu erinnern, dass ich in einer damaligen Ausgabe der Keyboards über einen Trick gelesen hatte, um meinem EPS 16+ Sampler als eine Art Exciter für die Samples zu nutzen. An einem sonnigen Tag bekam ich dann den ultimativen Geistesblitz und am Tag darauf hatte ich noch einen glücklichen Umstand: Mein damaliger Chef, Hermann Gier, mit dem ich im gleichen Büro saß, war für zwei Tage auf Dienstreise. Bekanntermaßen ist es ja so….. wenn die Katze aus dem Haus ist dann tanzen die Mäuse auf der Leiterplatte. Jetzt konnte ich endlich unbeobachtet und in einer Nacht- und Nebelaktion meine neue Idee auf einem Laborboard aufbauen.

Transient Designer Story | Ruben's Lab Board for Development
Ruben Tilgner’s Spielwiese
Transient Designer Story | Ruben Tilgner's Lab Board
Ruben Tilgner's Lab Board | Detail

Diese Differenz hatte ich dann auf die Hüllkurven meines Kompressors angewandt und anstatt nur einer Schaltung hatte ich zwei parallel angeordnet. Diese besaßen unterschiedliche Zeitkonstanten. Dazu wählte ich unterschiedliche Attack-Zeiten aber die gleiche Release Zeit. Hinzu kam noch ein Differenzverstärker – und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen und Ohren:  Auf einmal konnte ich die Transienten eines Signals erkennen! Bei sehr weichen Einschwingvorgängen waren beide Hüllkurven gleich und bildeten kaum eine Differenz, bei schnellen Signalen konnten diese dann erkannt und auf einen VCA gegeben werden. 

Das Geniale dabei war, dass dazu kein Threshold nötig war, da die Differenz unabhängig vom Eingangspegel arbeitete. Plötzlich kam mir noch eine weitere geniale Idee in den Sinn: Die Steuerspannung konnte nun positiv oder negativ sein, welches zur Folge hatte, dass der VCA nun verstärkte oder abschwächte. Die Transienten konnten nun sowohl verstärkt als auch abgesenkt werden! „Genial“, dachte ich.

Schnelle Schaltungen

Meine neue Schaltung hatte ich an einem einzigen Tag fertig und ich habe mich anschließend gefragt, was denn wäre wenn nun diese Hüllkurven beide die gleichen Attack-Zeiten haben und dazu unterschiedliche Release-Zeiten?

Also nächster Tag und neues Glück. Den erdachten Schaltungsteil baute ich am nächsten Tag auf und es funktionierte glücklicherweise auf Anhieb. Die Kontrolle des Sustains war jetzt möglich! Ich war außer Rand und Band, denn ich konnte mit gerade mal zwei Reglern einen Wahnsinnseffekt erreichen. Ich bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. 

Doch dann – Return of the Boss. Am dritten Tag kam Hermann von seiner Dienstreise zurück. Ich präsentierte ihm meine neue Erfindung. Er war sofort begeistert und wollte, dass ich das Produkt schnell umsetze. Doch dann….  


Codeword.Yellow Kick Man!

Endlose Tage im Dunkeln mit meinen Hüllkurven – der Feinschliff

Mein Chef mochte jetzt meine Erfindung und wollte, dass das Produkt schnellstmöglich fertiggestellt wird. Nach der ersten Euphorie kam bei mir dann aber die Ernüchterung beim einfachen Test mit einer Drumloop. Wenn ich diese Drumloop startete, war der erste Schlag der Loop, meistens die Bass Drum sehr laut und weiteren Schläge aber leiser. Auf der Suche nach dem Grund bin ich aber sehr schnell fündig geworden. Am Beginn der Loop war die Differenz einfach viel größer als beispielsweise in der Mitte. Ich hatte ein einfaches Analog-Oszilloskop zur Hand mit dem ich nun die erzeugten Hüllkurven zu beobachten versuchte. 

Um diesen Umstand zu optimieren, stellte ich den Zeitstrahl so langsam ein, dass nur noch ein langsam laufender Punkt über den Bildschirm wanderte. Bei strahlendem Sonnenschein verdunkelte ich den Raum und sah, dass dieser Punkt etwas nachleuchtete. Die Steuerspannung war erkennbar. Ich benötigte noch etwa ganze drei Monate um meine Schaltung auf die verschiedenen Signalarten zu optimieren. Bei jeder kleinen Änderung der Schaltung habe ich immer wieder sämtliche Sounds durch die Schaltung gespeist. Damit konnte ich überprüfen, ob die jeweiligen Änderungen Nachteile brachten. Das war wie eine mikrochirurgische Operation oder auch ähnlich des Finden der berühmten Nadel im Heuhaufen. 

Die Komplexität

Zur Darstellung:

Ein normaler Kompressor hat generell schon circa fünf Regler wobei meine Schaltung sich viermal so komplex gestaltet.

Das ist ganz einfach zu begründen: 

Die Schaltung enthielt etliche Zeitkonstanten und auch interne Thresholds, die alle perfekt aufeinander abgestimmt werden mussten. Ich hätte dem Nutzer auch zehn Regler pro Kanal geben können doch genau die Reduktion auf zwei Regler wurde später auch zum Erfolgsgeheimnis des Produktes und spricht für eine echte Benutzerfreundlichkeit. Des weiteren konnte ich auf diese Weise sogar ganze vier Kanäle in einem Gerät unterbringen.

Die nächste Herausforderung!

Ich war mit dem Sound nicht zufrieden, denn besonders bei stärkerem Einsatz von Attack klang das Gesamtsignal doch etwas zu hart und unangenehm. Um dieses Problem zu lösen habe ich hinter den VCA ein Tiefpass Filter gesetzt und fehlende Höhen mit einem Spulenfilter ersetzt. Genau damit wurde der Sound deutlich angenehmer und weicher. Um das Konzept einem ausgewählten Publikum präsentieren zu können, haben wir einige Prototypen gefertigt. Diese wurden, wie damals üblich, aus selbst geätzten Platinen hergestellt und anschließend handgebohrt. Der gelbe Kick Man aka Transient Designer wurde geboren. Ronald Prent war einer der ersten, der damit arbeitete und er wurde sofort ein großer Fan von diesem neuen Produkt.

Handmade Prototype of the Transient Designer
Kick Man | Handgefertigter Prototyp des Transient Designers (Lo-Res Foto)

Was ist das? Ein Kompressor oder ein Noisegate?

Die verwirrte Spekulation auf der Prolight + Sound 1998

Transient Designer. So wurde mein fertiges Produkt offiziell getauft. Diesen haben wir erstmalig im Frühjahr 1998 der Öffentlichkeit auf der Prolight + Sound in Frankfurt vorgestellt. Noch heute erinnere ich mich an die vielen fragenden Gesichter des Publikums. Die meistgestellte Frage an unserem Messestand war: Ist das ein Kompressor? Oder ein Noise Gate? Oder was ist das denn nun?    

 

Transient Designer (2 Channels) invented and developed by Ruben Tilgner, CEO of elysia
(Foto: Transient Designer © SPL Electronics GmbH)
Transient Designer 4, invented and developed by Ruben Tilgner, CEO of elysia
(Foto: Transient Designer 4  © SPL Electronics GmbH)

Ich habe interessierte Messebesucher an die Hand genommen und Kopfhörer aufgesetzt. Ein Großteil der Besucher kam nach ein paar Sekunden Hören aus dem Staunen und Schwärmen nicht mehr heraus. Sie waren begeistert, was nun mit diesem neuartigen Transient Designer alles so möglich war. Doch eine neue Gattung eines Audio Prozessors, welche vorher nicht existierte! Mir war klar, dass ich etwas schönes und neuartiges erschaffen hatte. In diesem Zusammenhang muss ich sagen, dass ich es immer sehr interessant finde, die Reaktionen von potenziellen Kunden zu erleben. Ich genieße das und es gibt mir Bestätigung zurück, dass sich die lange Arbeit an der Entwicklung eines Produkts immer lohnenswert sein kann. Bei solchen Premieren genieße ich dann einfach das begeisterte Publikum und bekomme Gänsehaut. Sicherlich einschneidende und emotionale Erinnerungen, an die man gerne zurückdenkt.

Lob in den Medien

Dank der positiven Resonanz, auch von der internationalen Fachpresse, sowie durch die vielzähligen positiven Testberichte verbreitete sich der Transient Designer schnell und hielt in Windeseile Einzug in nationale und internationale Studios. 

“Der Transient Designer hat eigentlich schon jetzt eine Eintragung ins ,Goldene Buch’ renommierter Studiogeräte Klassiker verdient. Die intelligente Umsetzung einer einfachen Idee bei gleichzeitig ebenso einfacher Bedienung bietet wirklich enorme und teilweise verblüffende Gestaltungsmöglichkeiten. (…) Eine derart gezielte Eingriffsmöglichkeit in die Transienten Struktur von Audiosignalen gab es jedoch vor dem Transient Designer noch nicht. Speziell in Sample-basierten Produktionen erweist sich dieser Effekt-Dynamikprozessor als regelrechtes Lebenselixier, doch auch in der Welt der Produktion mit echten Instrumenten bieten sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten (siehe ,Hören’). Also ein uneingeschränktes Lob an den Hersteller für diese Entwicklung und eine Empfehlung an Sie, sich einmal näher mit diesem außergewöhnlichen Dynamikprozessor zu beschäftigen…”

Studio Magazin | Deutschland im Jahr 1999
Ruben Tilgner at a Gig of the Band Muse (FOH).
(Foto: Ich in Köln bei einem Muse Gig / FOH)

Auch der Live-Bereich erkannte die Vorzüge des Transient Designers wenig später und er wird auch heute noch gerne auf Live-Events eingesetzt.

Besonders die einfache Bedienung mit nur zwei Reglern und komplette vier Kanäle auf nur einer Höheneinheit waren die Gründe, warum der TD4 – Transient Designer zu einem echten Verkaufsschlager wurde. Die vier Kanäle waren natürlich prädestiniert für die Bearbeitung eines Schlagzeugs. Auch war das Preis- / Leistungsverhältnis sehr gut.

 

Der Hüllkurvenbezwinger V2.0 – nvelope von elysia

Transient Shaper der nächsten Generation

In 2006 habe ich dann die Firma elysia mitbegründet. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, viele neue und hochwertige Produkte nach meinem Gusto zu entwickeln. 

Da ich ja bereits entsprechende Expertise in der Entwicklung von Kompressoren hatte, dank meinem DynaMaxx, entschloss ich mich, erneut einen Kompressor zu entwickeln. Den Anfang machte der alpha compressor, ein Mastering Kompressor mit ganz besonderen Funktionen sollte es sein und wurde es auch. Dieser ist bis heute unser Flaggschiff und längst zu einem modernen Klassiker geworden. Einige Jahre später, etwa in 2012 kam mir dann die Idee, eine neue und erweiterte Version des Transient Designer zu entwickeln. Mit der Erfahrung, die ich nun hatte, besonders auch im Design von diskreten Class-A Schaltungen, war ich in der Lage, diese Idee nochmal grundlegend zu verbessern. Besonders bei fertigen Mixen reagiert die original Schaltung nicht zuverlässig, wie man es erwarten würde. 

Das Erkennen der Transienten ist somit nicht immer perfekt. Auch gibt es zu große Schwankungen bei erzeugten Amplituden. Ich entschloss mich also, die Schaltung nochmal von Grund auf neu zu entwickeln. 

nvelope – Development Board

Als Besonderheit plante ich nun Filter ein, mit denen man die Einsatzfrequenzen für den Attack und eine Endfrequenz für das Sustain bestimmen konnte. Meine Grundüberlegung war eine recht einfache: Transienten haben immer etwas mit schnellen und hohen Frequenzen zu tun und langes Ausschwingen von Instrumenten mehr mit tieferen Frequenzen.

Filter

Da sich die beiden Filterbänder weit überlappen können, musste ich einen speziellen Bandpass entwickeln, der dafür sorgt, dass der Frequenzgang immer linear bleibt. Mit meinem diskreten Aufbau und den eigenen VCAs ist auch der Sound nochmal deutlich punchiger und klarer, was noch mal einen echten Fortschritt darstellt. Durch dieses Multiband-Konzept klingt die Bearbeitung nun natürlicher, und viel weniger nach Noise Gate. 

Besonders das Verkürzen des Sustains nur im Bassbereich geht jetzt viel besser. Trotz allem kann man den nvelope im sogenannten Fullrange – Modus betreiben, was von der Funktionsweise in etwa dem original Transient Designer entspricht. 

Wenn du in einem Mix mal keine Transienten Bearbeitung benötigst, kannst du zusätzlich den EQ Modus benutzen. Also drei Möglichkeiten in einem Produkt, was sich als echter Fortschritt entpuppt hat!


Transient Designer – Die PlugIns in der digitalen Welt

Zu den Hochzeiten des DAW – Mayhems wurde dann mit dem Transmod von Sony Oxford eines der ersten PlugIns entwickelt, das auf meiner Idee und eben genau meiner Schaltung aufbaute. Brainworx hat dann auf Grundlage der Originalhardware für SPL und auch für elysia die entsprechenden PlugIns entwickelt die schon wirklich hervorragend klingen –  Doch analog bleibt eben analog.

Die meisten großen DAWs liefern mittlerweile ein Transient Designer / Transient Shaper Tool direkt mit und es gibt etliche Softwarehersteller, die auch die Idee des Transient Designers übernommen haben. Zudem ist die Technologie als Processing Tool bei vielen Drum Sample Playern zu finden. Ich kann nur jedem empfehlen, den nvelope als Hardware zu testen und ihr werdet selbst feststellen, dass dieser nach wie vor das Maß der Dinge ist.

Abschließende Worte

Zum Abschluss bleibt mir noch zu sagen: Ja, der Transient Designer ist ein echter Klassiker geworden und revolutionierte die Audiobranche sowohl analog als auch digital. Das sind Tatsachen, auf die ich natürlich sehr stolz bin. Stolz bin ich aber auch darauf, dass ich nach wie vor die beiden einzigen Hardware-Produkte am Markt entwickelt habe. Das zeigt mir, wie komplex diese Schaltung ist und es viel Wissen und Erfahrung braucht, um so etwas analog zu bauen. Weil sich diese Idee bei vielen PlugIns weiter verbreitet hat, wurde dieses Tool zu einem Standard beim Audio-Processing. 

In Zukunft wird der Transient Shaper sicher auch weiter an Bedeutung gewinnen, denn dank der Loudness Normalisierung ist wieder mehr Headroom vorhanden, um schöne Transienten in den Mixen erklingen zu lassen. Mein Nummer 1 – Chart Hit wurde also ein Produkt, mit dem ich die Audio Welt ein bisschen schöner, besser und kreativer machen konnte. Einen Ferrari hat er mir aber nicht gebracht, worüber ich auch nicht wirklich traurig bin.

Was meint ihr? Hinterlasst doch einen Kommentar oder euren ganz persönlichen Erfahrungsbericht. Ich würde mich freuen, mit euch zu diskutieren, sich gegenseitig auszutauschen oder zu philosophieren.

Ich bin gespannt.

Vielen Dank für euer Interesse,

euer Ruben Tilgner

Transient Designer


Die Transient Designer Story: Auf den Spuren der Transienten und mein Abenteuer mit Hüllkurven – doch plötzlich war eine der revolutionärsten Ideen der 90er geboren, ohne das ich es ahnte…

Teil 1 von 2

Viele von euch wissen vielleicht noch gar nicht, dass ich in den späten 90er Jahren eines der einflussreichsten und revolutionärsten Audioprozessoren der Neuzeit erfunden habe, den Transient Designer. Ich war jung und brauchte kein Geld, sondern einen ganz bestimmten Sound. Ihr fragt euch sicherlich, wie es dazu kam und was ich mir dabei gedacht habe, und was hat eigentlich Michael Jackson damit zu tun?

Wenn ihr Lust habt, nehme ich euch heute mit auf die Reise in meine Vergangenheit und erzähle euch, wie ich unwissend zum Erfinder einer Technologie wurde die heute in jeder DAW zum Standard gehört, in unzählbaren erfolgreichen Sample Libraries noch heute zum Einsatz kommt und international zum Kassenschlager wurde….

Die musikalische Notwendigkeit

Begonnen hat alles, als ich als begeisterter Musiker und gelernter Radio- und Fernsehtechniker mit Ambitionen zur Analogtechnik im Jahre 1995 einen Job als Entwickler bei der Firma SPL in Niederkrüchten bekam. Zu dieser Zeit verließ ich gerade meine Band als Keyboarder und bastelte mir in meinem Schlafzimmer mein erstes Home Studio zusammen. Natürlich mit dem Gedanken irgendwann mal mit der Musik Reichtum zu erlangen und Millionen Scheiben zu verkaufen. Das kennt ihr doch alle! Oder etwa nicht? Mein Homestudio stattete ich mit einem Sampler von Ensoniq, dem EPS 16+, einem Kawai K4 Synth, einem Roland D70 und einem Kurzweil K2000 aus. Diesen Fuhrpark feiner Hardware Klangerzeuger steuerte ich standardmäßig an. Wie man es eben aus den Neunzigern kennt – mit Atari 1040 ST und dem guten alten Cubase via MIDI.

Hinzu kam, ganz klassisch, ein analoges Mischpult und meine Speaker, damit ich kreativ in meinem Schlafzimmer, aka Homestudio, arbeiten konnte.  Mit diesem Setup fing ich an meine eigenen Songs zu komponieren, an meinen Sounds zu tüfteln und nächtelang an Knöpfchen zu drehen. Dabei versuchte ich natürlich das Beste aus der vorhandenen Peripherie herauszukitzeln. Zu dieser Zeit war leider mein Outboard Equipment doch relativ bescheiden und von einem Kompressor konnte ich nur träumen.

Die willkommene Abwechslung: Kreative Freitage in der Firma!

Zur damaligen Zeit bei SPL wurde ich öfter in der Fertigung eingesetzt. Ich habe dort unter anderem Produkte messtechnisch sowie akustisch geprüft. Das war eine Art erste Qualitätskontrolle und wenn ich Pech hatte, wurde ich teilweise wochenlang mit stupiden Aufgaben beauftragt. Diese waren echt zeitraubend und mühsam und haben wirklich keinen Gehirnschmalz verschlissen. Da habe ich mich entschieden, den Freitag dazu zu nutzen um meiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Vormittags kam mir eine Idee, die ich dann mittags umsetzen wollte. Die Pappe, die normalerweise genutzt wurde, um mehrere Geräte aufeinander zu stapeln, dienten als Papier zum Skizzieren meiner Schaltpläne die ich mir ausdachte.

Die Nachmittage

Freitagmittags habe ich mich dann, vollen Tatendrangs, mit Lötkolben und Lötzinn bewaffnet. Wenn ich gut drauf war, hatte ich an einem Freitagnachmittag ein komplett neues Produkt aus alten Platinen und Gehäusen entwickelt. Ganz Frankenstein-like mit der Vision: Hauptsache es ist verrückt, es soll Sounds produzieren und Krach machen. Dabei erwies sich ein Umstand als besonders glücklich: Da in der Fertigung immer mal wieder Gehäuse und Platinen Fehler hatten und diese nicht mehr in der Produktion genutzt werden konnten, wurden sie von mir nachhaltig und kreativ recycelt.

Zu meiner eigenen Vitalisierung habe ich mir häufig eine Platine des Vitalizer genommen und damit etwas völlig anderes erschaffen. Ein Surfboard? Nein, ganz anders! Das schöne daran war, dass ich schon eine fertige Infrastruktur nutzen konnte: Netzteil, Audio-Buchsen, Potentiometer sowie Schalter. Zum Glück gab es schon eine ordentliche Anzahl an OP Amps und sogar, mit dem LM13700 eine Art VCA. Auf der Rückseite der Platine habe ich dann mit diversen Kabeln und Kabelbrücken neue Verbindungen geschaffen. Diese machten dann die neuen Funktionen.


Das Frontplatten Design

Für die fertig ausgestanzten Löcher der Frontplatte habe ich mir sinnvolle Funktionen ausgedacht und habe alle Löcher entsprechend geschlossen. Auch wenn ich nur vier Potentiometer gebraucht habe, habe ich mir immer etwas Sinnvolles einfallen lassen. Wenn ich einen zusätzlichen Schalter benötigte, konnte ich diesen mit Griff zur Bohrmaschine leicht hinzufügen. Freitagabends erwartete mich schon ein guter Schulfreund mit den Farbdosen!

Ich fuhr mit Feierabendbier und meinem neu ausgedachten Produkt im Gepäck zu ihm. Schließlich wollte ich die Frontplatte meines neuerschaffenen Schätzchens noch lackieren. Ich musste immer genau die Farbe meines Freundes nehmen, in der sich noch Reste in der Dose befanden. Mit einem Permanentmarker habe ich die Frontplatte dann noch schnell beschriftet. 

Auf diese Art entstanden für mein Homestudio eine ganze Reihe verrückter und kreativer selbstgemachter Produkte! Unter Anderem Filterboxen mit LFO’s, AutoPaner, Gates, Bass Drum Generatoren und noch vieles mehr.

Transient Designer Story: Ruben's Rack auf der Transienten-Reise
Rubens Rack
Transient Designer Story: Die Funk Maschine
Die Funk-Maschine
Rubens Rack
Rack im Studio B

 

Der Transienten Flüsterer | Transient Shaping – Die erste Idee

Ich arbeitete mit meiner Sammlung von selbst erdachten Audio Prozessoren im Homestudio und feilte weiter an dem Sound meiner selbstkomponierten Songs. Doch da war ein Album aus dem Jahr 1991 von Michael Jackson (Dangerous), welches mich vom Sound her sehr beeindruckte. Das besondere an dem Sound dieser Albumproduktion waren für mich die punchigen Drumsounds, die über meine Boxen peitschten, und mir war klar, dass ich einen solchen Sound auch für meine Songs in meinem Homestudio hinbekommen musste.

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Michael Jackson / Dangerous

Die Anforderung

Mit meinem Equipment bekam ich das nicht hin und ich muss dazu sagen, dass zu dieser Zeit das allwissende Internet noch lernte und mir Google und Youtube auch noch nicht weiterhelfen konnte. Einen guten Kompressor hatte ich zu eben dieser Zeit immer noch nicht. Mein Motto, damals wie heute: “Was ich nicht habe, baue ich mir dann eben selbst”. Zeitgleich kam mir dann auch die erste Idee des Vorläufers des Transient Designers – der Transient Equalizer. Da ich schon Routine hatte mit dem Erwecken neuer Produkte im Frankenstein-Style entwickelte ich den ersten Prototypen dieses Transient Equalizer.


Der Transient Equalizer

Der Transient Equalizer von Ruben Tilgner

Er war vom Grundprinzip ähnlich aufgebaut wie ein Noise Gate mit Threshold Regler welcher dann aber eine Hüllkurve auslöste wie bei einem Synthesizer. Zusätzlich spendierte ich diesem Prototypen dann noch einen Decay Regler zur Kontrolle der Abklingzeit.

Wie bereits mehrfach erwähnt musste ich insgesamt acht sinnvolle Potis unterbringen, um der Frontplatte ein ordentliches Gesicht geben zu können. Es kam mir noch die Idee einen Rauschgenerator zu implementieren. Diesen Rauschgenerator konnte ich zusammen mit einem Bandpass in den VCA mischen.

Die letzten Potentiometer nutzte ich dann für einen Mix-Regler und eine Verzerrer Stufe für das Effektsignal. Es stellte sich heraus, dass das perfekt war um lahme und schöde Snaredrums aus meinem Sampler richtig aufzupolieren. Mit diesem Teil konnte ich schon sehr verrückte Sounds machen, aber….

Es kristallisierte sich leider heraus, dass dieser Threshold Trigger nicht immer perfekt war und ich diesen unbedingt optimieren musste. Folgendes Szenario passierte: Wenn das Signal zu leise war dann wurde keine Hüllkurve ausgelöst und wenn Snare Fills zu schnell kamen, konnten so schnell auch keine neue Hüllkurve ausgelöst werden. Genau dieses Problem haben viele Noise Gates auch heute noch. Habt ihr es jemals gemerkt? Ist es euch schon mal aufgefallen? Ich stellte dann schnell fest, das genau diese Schaltung nicht für alles einsetzbar war und leider nicht sehr zuverlässig arbeitete.

Herrscher über die Hüllkurven – endlich, mein erster Kompressor!

Da stand ich nun vor meinem Scherbenhaufen, der mir schlaflose Nächte bereitete und mir zudem Unmengen an Lötzinndampf in der Nase bescherte…. Hüllkurven, Dynamik sowie der Traum eines eigenen Kompressors. Ich habe in der ganzen Zeit, die ich in dieses Projekt investiert habe doch glatt vergessen an meiner “Nummer 1” –  Albumproduktion weiter zu arbeiten. Wie sollte ich in die Billboard Charts kommen? Aber… nicht ohne diesen Sound! Plötzlich ein Lichtblick und eine Eingebung: Eine Stimme die mir eindringlich sagt: “Ein Kompressor, Ruben! Ein Kompressor!”. Im Jahre 1996 war es soweit und ich habe endlich meinen ersten eigenen Kompressor entwickelt – den DynaMaxx.

Wieder eine Challenge… The One-Knob Wonder!

Eine echte Herausforderung für mich war, einen Kompressor mit nur einem Regler zu entwickeln. Dafür hatte ich mich sehr intensiv mit der Thematik beschäftigt, wie aus einer Wechselspannung ein Steuersignal für ein VCA entstehen kann. Besonders der Gleichrichter und die Zeitkonstanten waren dabei eine große Herausforderung. Zu diesem Zweck habe ich unzählige Signale meines Kurzweil K2000 genutzt, um ein möglichst unauffälliges Kompressions-Ergebnis zu erhalten. Die endlose Anpassung der Zeitkonstanten brachten dann ein Regelverhalten, welches auf vielen Signalarten sehr gut funktionierte. Der DynaMaxx war damals schon ein Feedforward Kompressor. Dadurch konnte ich auch gleich einen De-compressor und zusätzlich ein intelligentes Noise Gate mit realisieren. Mein erster Kompressor wurde ein echter Erfolg und wurde schnell in vielen Studios eingesetzt, aber auch im Live-Bereich besonders geschätzt, weil er sehr schnell beste Ergebnisse lieferte. 

DynaMaxx Compressor

(Foto: DynaMaxx © SPL Electronics GmbH)

Genau durch diese Entwicklung erlangte ich schon eine echte Expertise zum Thema Sidechain bei einem Kompressor. Habe ich die Hüllkurven vielleicht jetzt bezwungen? Erfahre mehr im zweiten Teil meiner ganz persönlichen Transient Designer Story.

In der Zwischenzeit könnt ihr den elysia nvelope mal genauer unter die Lupe nehmen! Außerdem gibt es noch einen Wikipedia-Artikel zum Thema Transient Designer. Hier geht es zum Artikel!

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Euer Ruben